Infomaterialien zum Fachtag „Herausforderung Heimerziehung“
Fachtag „Herausforderung Heimerziehung“
zum 50-jährigen Bestehen der Jugendheim Marbach gGmbH am 09.11.2023
Zusammen mit über 130 Tagungsgästen – überwiegend pädagogischen Fachkräften aus ganz Hessen – durften wir am 09.11.2023 einen sehr gelungenen Fachtag erleben.
Nach sehr fundierten und wertschätzenden Grußworten von Marburgs Bürgermeisterin Frau Bernhausen, der Kreisbeigeordneten Frau Szeder und der Regionalgeschäftsführerin des paritätischen Landeswohlfahrtsverbandes Frau Klee begaben wir uns zunächst mit zwei Mitarbeitenden der GmbH aus den 70er Jahren (Dagmar Behring-Detering und Michael Harborth) auf eine kleine Zeitreise in die Anfangsjahre der Jugendheim Marbach und bekamen einen lebhaften Eindruck von der Aufbruchsstimmung der damaligen Zeit, sowohl gesamtgesellschaftlich („68er Bewegung“) als auch in der Landschaft der Heimerziehung („Heimrevolte“).
Passend dazu führte uns anschließend Herr Prof. Behnisch mit seinem Vortrag (Titel: 50 Jahre ‘Heimerziehung’ – historische Aufbrüche und aktuelle Herausforderungen) zurück in die späten 60er Jahre und der damals vorherrschenden Form der Heimerziehung, die er mit einem Zitat von Herrn Prof. Thierse als „System der Nichtanerkennung“ beschrieb.
Heute, 50 Jahre später, ist laut Herr Prof. Behnisch das Jugendhilferecht umfassend reformiert und auch die Heimerziehung hat eine Geschichte der Demokratisierung erlebt.
Ungeachtet dessen sieht Herr Prof. Behnisch vor dem Hintergrund eines drohenden
Fachkräftemangels und angespannter öffentlicher Finanzen auch eine Gefahr der Entstehung von Überlastungssituationen und damit verbunden eines Abbaus der über die Jahrzehnte erworbenen „demokratischen Erziehungskultur“.
Eine zentrale Aufgabe der kommenden Jahre sieht Herr Prof. Behnisch in dem Streiten für (mehr) Anerkennung für die Heimerziehung:
1. als anerkannter (beruflicher) Ort, der gesellschaftliche und fachliche Anerkennung
erfährt
2. als „normaler“ Lebens- und Wohnort für Kinder und Jugendliche
3. als Ort, der den dort lebenden Kindern und Jugendlichen Anerkennung ermöglicht für weitere Lebenswege
Der zweite Vortrag des Vormittages von Herrn Bausum beschäftigte sich mit der essentiellen Bedeutung der (traumapädagogischen) „Haltung als Wurzel und Basis traumapädagogischer Entwicklungen“ bei traumabelasteten Kindern.
Um die für die traumatisierten Kinder und Jugendlichen so wichtigen „Sicheren Orte“ in der Heimerziehung zu schaffen, bedarf es laut Herrn Bausum neben einem umfassenden Wissen über Traumata vor allem „Helfer*innen mit Haltung“, die bereit sind ihre persönlichen Haltungen auch im Hinblick auf die Gestaltung und Bedeutung von Gruppenregeln zu hinterfragen. Laut Herrn Bausum ist im Sinne einer traumapädagogischen Haltung dabei anzuerkennen, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen die Experten für ihr Leben sind, ihre Verhaltensweisen normale Reaktionen auf eine extreme Stressbelastung darstellen und somit einen „guten Grund“ haben.
Damit der „sichere Ort“ entstehen kann, braucht es die wertschätzende Grundhaltung nicht nur im direkten Umgang mit den traumatisierten jungen Menschen, sondern auch im kollegialen Umgang der Mitarbeitenden auf allen Ebenen der Einrichtung,
Nach der Mittagspause wurden besondere Aspekte der beiden Vorträge in einer
Expert*innenrunde mit den beiden Referenten, zwei Praktikerinnen aus den Kinderhäusern der Jugendheim Marbach, Kim Steinmann und Lisa Schmidhuber sowie Frau Lambrecht, der Leiterin des Marburger Stadtjugendamtes diskutiert.
Abschließend ließen die Tagungsgäste bei Sekt, Häppchen und Klaviermusik die Tagung in lockerer Runde ausklingen.
Wir danken allen Mitwirkenden der Tagung sowie allen Tagungsgästen für Ihr Engagement und ihr Kommen, den spannenden fachlichen Austausch und die vielen tollen Rückmeldungen.
Marburg, den 30.11.2023
Michaela Weickelt & Erwin Schnell